Zermatt im Sommer
White Invitational
Bericht
“Hey Jungs, ich hab’ meine Steckachse zuhause liegen lassen!”
Normalerweise geht einem ja bei so einer Ansage der Puls ein wenig hoch und die Funktionsklamotten müssen den ersten kleinen Schweißausbruch verkraften.
Nicht so bei den Invitationals von Heidelberg’s Finest - ein bisschen Drama gibt’s da nämlich immer vor den Touren! Bremsen ohne Druckpunkt, Dämpfer ohne Luft, Probleme mit dem Auto, alles schon gehabt. Alles schon gelöst. Daher ist erstmal Ruhe bewahren angesagt.
Zum Glück reist München mit zwei Rädern an. Dem Trailsurfen tief im Pfälzer Wald steht also nichts mehr im Wege.
Austragungsort des White Invitational ist das Dahner Felsenland. Diese kleine Region im Wasgau gespickt mit roten Sandsteinfelsen und darauf thronenden Burgruinen zeichnet sich durch ein äußerst dichtes Netz von naturbelassenen Wanderwegen aus, die endlosen Singletrailspaß versprechen.
Dieses Wegenetz wollten wir uns um den Feiertag zur Wiedervereinigung genauer anschauen! Am Freitag Nachmittag sammelte sich unser Trupp’ von 8 Fahrern in Dahn. Um die Zeit vor Ort optimal auszunutzen und um möglichst viel von den Trails zu sehen, hatten wir geplant gegen 16:00 aufzubrechen und mithilfe von Stirnlampen den Tag künstlich zu verlängern. Mit “leichter” Verzögerung, aber Vesper im Gepäck, machen wir uns auf den Weg.
Direkt hinter’m Haus geht’s in den Wald. Auf dem ersten Singletrail Richtung kleiner Eyberg gewinnen wir schnell an Höhe - erstmal langsam Anfangen fällt wohl aus. Dafür werden wir schon nach kurzer Zeit mit der ersten Abfahrt belohnt. Auch wenn wir uns diese zum Teil erkämpfen müssen. Eine Spitzkehre jagt die nächste. Aber die sollten uns in den nächsten Tagen noch öfter begegnen, also schon mal jetzt damit anfreunden.
Trailspaß aufwärts und abwärts hin oder her - den ersten Mitfahrern knurrt der Magen. Nächster Stopp ist der große Eyberg (513m). Die aufgestellte Bank und die Aussichtsplattform nutzen wir für eine ausgedehnte Vesperpause und um uns für die Dunkelheit zu rüsten. “Was? Wir haben erst 10 km?” Schnell in den Sattel.
Gut gestärkt vernichten wir wieder einige Höhenmeter auf einem natürlichen Flowtrail Richtung Dahner Berg. Bremse auf und los. Die Geschwindigkeit entlockt den ein oder andere Freudenschrei. Von dort aus geht’s wieder hoch, zu den Hohlen Felsen. Leider nur im Scheinwerferlicht - doch ein Wiedersehen bei Tageslicht ist schon geplant. Wieder geht es spitzkehrig talwärts, Ziel ist der Ungeheuerteich. Von dort pedalieren wir auf Singletrails zum letzten richtigen Berg des Abends, dem Kaletschkopf (453m). In HDF-Manier wird während einer Zeremonie ein Eintrag für’s Gipfelbuch verfasst (wer ein Beweisfoto schickt, bekommt einen Satz Aufkleber). Nun folgt eine der schönsten Abfahrten der Region: zu Beginn Spitzkehren zum Basteln, ab der Hälfte kann man wieder die Bremsen öffnen und ins Langental stempeln. “Ich bin im Blindflug hinter Dir her! Wenn’s bei Dir läuft, dann klappt das bei mir auch!”
Relativ Höhenmeter-neutral fahren wir vorbei an der Dahner Pfälzerwaldverein-Hütte zurück zur Homebase. Bei zwei/drei Bier versuchen wir den EINEN besten Trail des Tages zu identifizieren. Doch wir werden uns schnell einig - eigentlich sind’s ALLE. Doch das wollten wir am nächsten Tag nochmal genauer überprüfen.
Der Fahrrad-Teil des Samstags beginnt um 9:30. Es stehen 57 km und 1900 Höhenmeter auf dem Programm. Uns jucken die Waden und die Finger - nur unseren Steckachsen-Vergesser “juckt’s” noch woanders. Das ist dann wohl die Strafe eines fremden Sattels. Heute geht’s, um Reserven zu sparen, erstmal gemütlich los zur Burg Neudahn. Auf unserem Weg dahin passieren wir den Schwalbenfelsen, Sängerfelsen, den Grosstaler Hals, die Kauertfelsen. “Sag’ mal, hat hier eigentlich alles einen Namen!? Und wer denkt sich die überhaupt aus!?”
Die für den WasgauBike-Marathon mit Totenkopf klassifizierte Abfahrt hinter der Burg Neudahn versorgt uns dann aber mit dem ersten Adrenalin des Tages und wir werden alle wach und aufnahmefähig. Typisch für diese Region: das ständige Auf und Ab. So auch heute wieder. Der nächste Hochpunkt war Am Sack. Hier gab es in der letzten Saison die ersten Attacken auf Mountainbiker mit umgedrehten Nägeln im Boden - wir bleiben verschont. Auch generell haben sich die Region und die Wanderer in diesen Tagen mehr als freundlich uns gegenüber gezeigt.
Vor Salzwoog müssen wir dann das erste Mal auf Beton ausweichen. Dieses eine Mal wollen wir das gelten lassen. “Hast Du ‘nen Rennrad-Track geladen, oder was!?”
Von Salzwoog geht es dann nach Hinterweidenthal. Dort folgen wir auf Singletrails berghoch und bergrunter (nicht ganz ohne Bananenpause) dem gelben Punkt, der uns direkt zu den Vier Buchen bringt. Vorbei am Winterkirchel und der Himmelspforte fahren wir zum Wanderheim Dicke Eiche. Zum Glück - Hunger macht sich breit. Namensgeber der Hütte des Pfälzerwaldvereins ist eine dicke Eiche, die auf der vorherigen Kreuzung liegt. Liegt? Ja, denn irgendein Depp hat dieses Wahrzeichen vor Jahren einmal rundherum angesägt. Das hat der Baum leider nicht überlebt.
Zurück zum Essen: “Typisch” für die Pfalz war auf der Hütte Oktoberfest-Woche!? Es gibt aber auch Leberknödel, Saumagen, Bratwurst und Weißweinschorle. Jetzt nur nicht zu viel essen und trinken. Auch wenn das Wetter sehr einladend wirkt.
Auf einem Höhenweg passieren wir den Bärenbrunnerhof und den Bühlhof. Die Buhlsteine mit Ihrem Ausblick über die Pfalz sind unser nächstes Ziel.
Unzählige Serpentinen später landen wir dann am Heidenberg. Obwohl wir ja mittlerweile schon recht verwöhnt sind von den Trails der Gegend, zaubert auch der hier uns wieder ein Lächeln in’s Gesicht!
Wieder einige Kilometer und Höhenmeter in den Beinen lockt uns die Hütte an der Burgruine Drachenfels. Grumbeere-Brode, Oldtimer-Treffen und die Drachenfels im Rücken haben uns davon überzeugt auch hier eine kleine Pause einzulegen. “Und die isst man jetzt so direkt aus der Kohle, die Kartoffeln?”
Nach einem Abstecher durch die Burgruine machen wir uns auf, um einen alten Bekannten (den großen Eyberg) zu attackieren. Wir müssen nicht mehr ganz hoch. Irgendwie auch besser so. Der Wunsch nach Gegrilltem und Schorle wäre eh’ stärker gewesen.
So sitzen wir nach zwei Tagen perfektem Herbstwetter am Feuer und diskutieren wieder die Trailfrage. Wieder gibt es keine Antwort. Jedoch sind wir uns alle einig, dass da Spitzkehren drin sein sollten!
Der letzte Blick am Abend auf die Wetter-Trends verheißt nichts Gutes. Wir einigen uns auf ein frühes Frühstück, um dem Wetter entsprechend unsere Tour starten zu können.
Die Wetter-App sollte Recht behalten. Auch das nach-hinten-Schieben des Frühstücks bringt leider nichts. Bei Bindfäden-Regen macht es auch mit den besten und dichtesten Klamotten nicht uneingeschränkt Spaß. Da wir aber sowieso wieder kommen werden, können wir diesen einen nicht gefahrenen Tag auf jeden Fall verschmerzen.