Es ist Juni 2023. Ich bin im Pfingsturlaub mit der Familie und ich habe Zeit und Muße einen weiteren Bericht für unser Tourentagebuch zu schreiben. Es geht um den ersten Trip während Corona, die Ballerquarantäne I im Juni 2020. Meine Erinnerungen sind blass - es war die Zeit, als die Pandemie die Welt und unsere Familien fest im Griff hatte. Homeschooling und Homeoffice waren kein exclusives Ding mehr für Weirdoos aus ultrachristlichen Kreisen in den USA, sondern für uns alle. Der Zweitklässler hatte auf einmal Videokonferenzen, genauso wie die Eltern. Sportunterricht fand mit Felix Neureuther im Wohnzimmer statt und Sachkundeunterricht gab es mit der Pflanzenbestimmungsapp im Heidelberger Stadtwald. Alle anderen Ausflugsorte waren ja tabu, sogar Spielplätze.

Umso befreiender war es für drei Tage auf Tour zu gehen mit Andy. Da die Landesgrenzen nach Österreich im Wochentakt geöffnet und geschlossen wurden, hatten wir geplant mit ein paar unterschiedlichen Tourenoptionen im Gepäck anzureisen rund um Zugspitzarena und Fernpass.

26. Juni 2020 Geierköpfe

Los geht’s um Punkt 7 Uhr in Heidelberg. Das Bike steht auf dem Dach und der Piratenhyundai rollt Richtung Berge. Vermutlich habe ich Andy in München aufgelesen und wir standen kurz vor Garmisch etwas im Stau, aber mit drei Jahren Verspätung lässt sich das nicht mehr ganz genau rekonstruieren.

Woran ich mich aber noch genau erinnern kann, ist der Start der Tour an den Geierköpfen. Wir waren ziemlich motiviert und heiß, dass es endlich losgeht. Pedaliert wurde aber lediglich die ersten fünf Minuten und dann kam das Rad auf den Rücken. Ich ging die ganze Zeit davon aus, dass es ein Witz sei, als Andy meinte, dass wir nur fünf Minuten und entsprechend wenig Höhenmeter treten konnten. War es aber nicht. Ich dachte der Berg, an dem nur getragen wird, sei der Thaneller - und der war ja für einen anderen Tag gelpant.

Egal. Wie gesagt fehlte es ja nicht an Motivation und so stürmten wir mit Volldampf die erste Steilstufe hinauf. Das Tempo hielten wir aber nicht allzu lange und irgendwann gingen wir in einen Tritt über, den wir länger durchhalten konnten.

Geierköpfe Aufstieg

Das Wetter war bombig und obwohl es bereits auf’s Wochenende zuging, war es recht einsam am Berg. Wir teilten uns die Route nur mit einem weiteren Wanderer, den wir abhängig von Pausen immer mal wieder im Auf- und Abstieg zu Gesicht bekamen.

Wir stiegen für eine ganze Weile durch Latschen bis wir irgendwann einen freien Rücken erreichten. Hier galt es in leichter Kletterei mit dem Bike auf dem Rücken eine kurze steile Passage zu meistern, bevor es zum Gifpel hin wieder abflachte. Der Puls beschleunigte etwas, aber im Großen und Ganzen war die Kraxelei kein Problem. Bergab sollte das sogar leichter sein.

Kraxelei

Den Gipfel hatten wir für uns alleine. Gutes Panorama, gute Zeit. Keine Coronamaßnahmen.

Am Gipfel

Die Abfahrt war großer Spaß, bis auf einen Gegenanstieg. Ich hatte mein komplettes Pulver verschossen und schob die paar Höhenmeter, bevor sich der Trail runter zum Plansee stürzte. Wir waren gut beschäftigt und das Bad im See beendete die Tour später als gedacht.

Mittlerweile hatte sich der Himmel verfinstert. Die Wettervorhersage meinte Wolkenbruch. Deshalb fiel der Plan zu campen ins Wasser. Davor gab’s aber noch Kässpatzen eins an der Musteralpe Plansee. Über Booking fanden wir auch noch spät eine Unterkunft, vermutlich in Heiterwang, was in Anbetracht des Regens auch die bessere Wahl war.

27. Juni Loreascharte

Für den folgenden Tag hatte Andy eine Tour direkt neben der Fernpassstraße ausgekuckt. Ich war zuerst skeptisch, weil das ja schon eine Passstraße ist mit extrem viel Autoverkehr. Aber die Tour an sich sah gut und ich hatte auch noch realisiert, dass sie uns auf einem Stück über Trails führen wird, über die wir während unseres ersten Alpencross 2004 bereits gefahren waren. Damals sind wir von Nassereith über das Dirstentrittkreuz Richtung Süden gefahren. Heute haben wir genau den selben Abschnitt auf einer Schotterpiste auf dem Programm, aber nach ca. 500hm ging es Richtung Norden zur Loreascharte. Es war witzig, denn insbesondere die knüppelharte, steile Kehre hatte ich noch gut in Erinnerung.

Nachdem wir die Schotterpiste verlassen hatten, begann erneut eine Tragepassage. Stille und Wärme machte sich breit. Der Lärm der Fernpassstraße war überhaupt nicht mehr zu hören, es gab keinen Wind und die Sonne entwickelte ordentlich Kraft in diesem Seitental. Ich war immer noch recht müde von der Speedochsentour gestern, aber wir ließen es langsamer angehen.

Auf etwa 2000m erreichten wir einen Sattel mit einer wunderschönen blumigen Wiese. Da wir super in der Zeit waren haben wir zum ersten Mal in unserer langjährigen Bikekarriere ein ausgedehntes Nickerchen gehalten. Kurz danach feierten wir diese Pause als richtungsweisende Weltidee. Jetzt, drei Jahre später, kann ich berichten, dass wir weiterhin eher wenig auf Pausen setzen beim ballern. Why?

Pause unterhalb der Loreascharte

Nach der Pause gingen die letzten 300hm hinauf zur Scharte gut, aber die Motivation war dennoch nicht groß genug auch noch auf den benachbarten Loreakopf zu steigen. Wir hatten aber auch schlichtweg Bock auf den Trail zurück. Dieser entpuppte sich als extrem guter Fit für uns. Ständig im Wechsel zwischen S1, S2 und S3 haben wir es ziemlich laufen lassen. Im Wesentlichen gab es nur eine kurze Verschnaufspause unterhalb der Loreahütte wo wir eine Schulklasse beneideten, die hier ein paar Tage verbrachte.

Innerhalb des Waldes pendelte sich der Trail dann immer mehr bei S3 an als bei S1, das machte aber enorm Laune und band unsere Konzentration derart, dass wir die Fernpassstraße und den zugehörigen Verkehr erst dann wieder wahrnahmen, als wir unmittelbar davor standen.

Abfahrt von  Lorea

Auf dem Rückweg gab es dann noch ein Bad im Fernsteinsee und die Entscheidung am morgigen letzten Tag der Ballerquarantäne doch nicht den Thaneller zu versuchen. Nach den bisherigen beiden Tagen war ich schlichtweg nicht fit genug für weitere 1200hm Tragen. Aber da wir uns ja quasi auf Andys ereitertem Hometurf befanden, war schnell eine Alternative gefunden bei Kässpatzen II im Restaurant Seebua. Im Alpin Resort Austria in Bichlbach war auch noch etwas frei, und zwar das Appartment Thaneller.

28. Juni Kohlbergspitze

Am dritten Tag brachen wir früh auf. Es war kühl, etwas feucht und einzelne Neblefetzen hingen noch in den steilen waldigen Hängen während wir uns auf einer mäßig steilen Schotterpiste emporkurbelten. Am Himmel über uns war keine Wolke zu sehen.

Morgennebel über Bichlbach

Die letzten 300hm war aber auch an der Kohlbergspitze nichts mehr mit Fahren und wir schulterten unsere Bikes. Andy weit voraus, ich hinterher.

Am Gipfel war ein bisschen was los, wir hielten einen Schnack mit Trailrunnern, Locals und genossen die Aussicht. Die Abfahrt war spaßig, ganz oben etwas aufgeweicht im tiefen, steilen Wiesenboden. Nach unten wurde es immer flowiger zu fahren bis wir auf halber Höhe vom Aufstiegsweg abzweigten und auf einem Steig direkt nach Bichlbach zurück fuhren.

Steile Gipfelpassage an der Kohlbergspitze

Am Bahnhof trennten sich die Wege von Andy und mir mal wieder. Ich musste mit dem Piratenhyundai zurück nach HD, Andy mit dem Zug zurück nach München.

Es war die erste Alpentour mit meinem damals neuen 29er Specialized Stumpjumper. Ich war wirklich ziemlich happy mit dem Bike - und auch Andy schloss die Tour mit einer Instagram Lobeshymne auf sein nicht ganz so neues Alutech Fanes.