Bikepacking im Odenwald
Wir werden planschen
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Bericht
Diesen Bericht schreiben wir zwei Jahre später. Die Erinnerungen sind schon etwas blasser, aber vor allem haben wir einen herausragenden Trip im Ballroom der Alpen um Sankt Moritz rum im Kopf. Die Anforderungen waren mal wieder HDF typisch: Über die Baumgrenze, möglichst wenig Leute und angemessenes Gebastel in hochalpinen Terrain. Ja gut. Nachdem wir bisher immer wieder vom Leistungspotential der Schweiz begeistert waren, fiel uns die Auswahl im Vorfeld recht leicht. Einzig die Wettervorhersagen waren mal wieder grauslich für den Spätsommer: Viel Regen und Schnee. Und dabei waren zwei Hüttenübernachtungen auf 3000 Meter geplant, sowie einige technische Stellen. Die Diskussionen über die Sinnhaftigkeit unseres Unternehmens sowie des Zielortes und der Tourenplanung liefen mal wieder auf Hochtouren und der Slackchannel glühte. Nach einigen Google Hangouts kamen wir zum Schluss, es trotzdem probieren zu wollen. Nur Christian war sein spärlicher Urlaub für so ein unsicheres Unterfangen etwas zu lieb und daher beschloss er diesen Trip auszulassen und das obwohl (oder gerade weil) er eigentlich maßgeblich in die Tourenplanung involviert war. Aber er übernahm den Part der digitalen Basisstation von Heidelberg aus. Juut. Wir waren also nur zu dritt. Mark kam aus Heidelberg und Flo und Andy aus München. Treffpunkt war ein kleiner Landbäcker in der Nähe von Memmingen. Nach einer ordentlichen Investition in Backwaren aller Art fuhren wir mit Flos Kia weiter Richtung Schweiz. Herrliche Bergpässe machten uns schon mächtig Lust auf die nächsten Tage und wir kamen bei Sonnenschein an unserem Hotel für die Nacht an und konnten da unsere Wasservorräte für die heutige Tour auffüllen. Wir pedalieren direkt vom Hotel aus los und ließen Sankt Moritz direkt hinter uns und fuhren etwas Talauswärts vorbei an herrlich pittoresken Seen am Fuß von gewaltigen Hängen. Und an allen Ecken blitzen Gletscher und weiße Bergspitzen hervor. Mehrfach sprachen meine weitgereisten Begleiter davon, dass es aussah wie in Neuseeland und das man doch gar nicht so weit reisen müsse und die Schweiz alles bietet, was das Herz eines Berg Liebhabers begehrt. Ganz gemütlich wurden die Beine warm gefahren auf sanften ansteigenden Trails. Immer wieder kamen uns Ebike Gruppen entgegen und irgendwann erreichten wir eine Hütte, die mit ihrem Südhang und köstlichen Kuchen nach “Pause” schrie. Aber wir waren stattdessen hungrig auf Trailspaß und so fuhren wir weiter um die Baumgrenze endgültig hinter uns lassen und ins Skigebiet von Sankt Moritz zu tauchen. Wir machten nochmal eine Rast in der Sonne an einem kleinen Stausee und warfen uns ein paar Nüsse ein für den kommenden Schlussanstieg auf der Skipiste. Während es bei Mark und Andy eigentlich ganz gut lief, klagte Flo schon über Tranis Gewicht und das ihm wohl irgendwer Steine in den Rucksack geschmuggelt habe. Aber gut, die Passhöhe war immerhin schon in Sichtweite, dafür wurde die Piste allerdings immer steiler und Flos Gesicht immer bleicher. Auf der Passhöhe konnten wir ihn dank Power Gel nochmal ein bisschen aufpäppeln und so legten wir in freudiger Erwartung unsere Schoner an. Der Blick auf die Abfahrt, die sich durch die Mondlandschaft schlängelt machte uns schon etwas hibbelig.
Sattel runter, Bremsen auf und mit staubigen Fahnen am Hinterrad den Hang runter. Bis sich eine kleine unbewirtete Berghütte anbot, mal kurz durchzuatmen. Während Mark und Andy Coke und Schokoriegel fanden, schaffte Flo den nötigen Platz direkt neben der Kinderschaukel. Da kommt die Cola gerade recht als Energiespender. Jedenfalls lässt Flo es im Anschluss wieder fliegen, als wäre nix gewesen - vorbei an Postkartenmotiven über perfekte S2 Trails Richtung Silvaplana. Nach unten raus wird der Trail aber nochmal richtig fordernd und kostet die letzten Körner. Glücklich kommen wir mit dem letzten Licht am Hotel an. Kurz frisch gemacht und ab zum Essen - die teuerste Pizza unseres Lebens wartet. Schmeckt aber auch Premium und satt und glücklich fallen wir in unsere Betten. Morgen gibt es weniger Komfort.
19.09.2021, Tag 2, Zur Hütte Coaz
Frühstück gibt es im extra für uns gesperrten Ballsaal und es ist reichlich. Die Basisstation meldet für heute Niederschlag. Bei uns scheint die Sonne und so starten wir gut gelaunt Richtung Pontresina mit dem Auto und finden unseren Parkplatz direkt am Pumptrack. Während wir das Tal rausfahren ziehen dicke Wolken auf. Aber gut solange die kenianische Nationalmannschaft ihr Höhentraining weiter durchzieht kann es ja nicht so wild werden. Aber spätestens als sie uns mit einem Affenzahn wieder entgegenkommen beginnen wir der Wetterprognose aus Heidelberg zu glauben. Auch die Ebiker drehen an der letzen Hütte im Tal um während wir unsere Regenmontur anlegen. Nach einem kurzen Schreckmoment als Mark seinen Rucksack in Richtung des tosenden Flusses fallen lässt geht es weiter Richtung Talschluss. Der gewaltige Gletscher zeigt sich langsam während wir an perfekten riesigen Boulderblöcken vorbei auf zunehmend verblockteren Trails weiter aufsteigen. Der Regen nimmt zu und die Temperatur mit steigender Höhe stetig ab - klein und kurz vor dem Gletscher zeigt sich unsere Unterkunft in exponierter Lage - die Coaz Hütte.
Aber der Weg zieht sich und mittlerweile stapfen wir durch Schneefall mit den Bikes auf dem Rücken. Ziemlich platt und durchgefroren erreichen wir die Hütte - aber trotzdem lassen wir uns einen kleinen Tanz auf der Verschneiten Slackline bei genialem Panorama nicht nehmen. Dann aber ab nach drinnen - außer uns sind nur noch zwei Wanderer zu Gast in der rustikalen Hütte. Der Kamin wird eingeheizt und wir trocknen unsere Sachen während wir bei Bier und Hüttenquartett auf unser Essen warten. Die Hüttenwirtin entpuppt sich als erfahrene Skitourengeherin die uns mit Tipps zum Wetter und der morgigen Routenplanung versorgt. Einziger Wermutstropfen dieses Abends ist die Tatsache das es ununterbrochen stark schneit und während wir unseren Dosenpfirsich zum Dessert verdrücken fragen wir uns wie viel Neuschnee uns a m nächsten Morgen wohl begrüßen wird und welche Auswirkungen das auf unsere Tour hat. Die Hütte morgen ist nochmal etwas höher gelegen. Na dann mal ab ins kalte Nachtlager.
20.09.2021, Tag 3, Zur Georgy’s Hütte VS Pochiavo
Die Nacht ist frostig. Der Tag beginnt mit einem nächtlichen Gang nach draußen zur Toilette. Die müden Augen erkennen, dass da viel Schnee überall liegt und es noch immer leicht schneit…na toll. Lieber noch mal hinlegen. Trotzdem sind wir früh beim Frühstück und obwohl viel Schnee liegt guter Dinge - denn die Sonne kommt raus. Auf Geheiß der Wirtin wollen wir uns den höheren Trail unter die groben Pneus packen - Doubledown und ab!
Es gibt noch ein paar Erinnerungsbilder mit Hütte und Wirtin und dann ab! Geile Bedingungen! Es liegt zwar viel Schnee aber der Boden ist noch warm und durch die Sonne schmilzt der Schnee direkt unter unseren Reifen. Es herrscht eine geniale Stimmung: Sonne, Schnee und im Hintergrund der Gletscher - ein paar Poserbilder müssen sein aber dann wird’s flowig.
Wir machen ordentlich Tempo und der Trail ist genau nach unserem Geschmack - Flo fühlt sich einmal zu sicher und bailt direkt in einen Rockgarden rein - glücklicherweise geht es glimpflich aus. Irgendwann kommen wir unter die Schneegrenze und haben dank der Sonne traumhafte Herbstbedingungen. So kommen wir mit bester Laune am Auto an und freuen uns über eine trockene Wechselmontur. Während wir uns am Auto umziehen sagen wir bei der Gregory Hütte ab - die Nummer ist uns mit dem vielen Schnee doch etwas zu heikel - zumal es sich um einen Nordhang handelt. Gregory stimmt uns zu und hält es auch für die richtige Entscheidung - wir verschieben also den Besuch. Aber was jetzt? Wir haben die letzten Tage immer wieder über Alternativrouten gesprochen und heute werden vorzeitig Weihnachtsträume erfüllt! Kurzerhand wird eine Unterkunft in der Jugendherberge für die Nacht reserviert und dann ab zum Supermarkt und Mittag machen. Jetzt ist Multitasking angesagt - während wir Humus dippen bastelt Flo an seinem Bike, Mark plant mit Hilfe des Basislagers die Route und Andy lässt sich von einer alten Dame im Pelzmantel sexuell belästigen - jeder also wie er kann. Wir machen uns auf den Weg zum Berninapass, an der Diavolezza Bahn Station und Stauseen vorbei mit Blick auf den Biancograt. Weil wir heute noch deutlich zu wenig Höhenmeter gemacht haben fahren wir den Pumptracktrail kurzer Hand bergauf und verteilen großzügig noch ein paar Extrakörner. Wir fahren direkt Seite an Seite mit der rhätischen Bahn Linie. Diese spielte auch eine Rolle in einem frühen Bikefilm in dem Rene Wildhaber ein Rennen gegen eben diese kleine rote Eisenbahn fährt in bester Freeridemanier bis runter nach Poschiavo. Dieser Film war schon seit damals ein Traum in Flos Kopf, der heute wahr werden sollte. Auf den Spuren von Rene fliegen wir mit der Rhätischen um die Wette, vorbei an spektakulären Aussichten wie der Alpe Grüm oder den zahlreichen Bahnbrücken über feinste Trails. Nach einer endlosen Abfahrt kommen wir auf dem bildhübschen Marktplatz von Poschiavo wieder zu uns. Genau richtig, um hier unser Abendessen zu uns zu nehmen - Pizzoccheri - eine Spezialität der Region, wie uns Flo erklärt. Schmeckt! Es gibt noch eine Hülse auf dem Heimweg und wir lassen uns von der kleinen Roten nach Hause fahren. What a day! Im Dunkeln erreichen wir unsere Unterkunft. Es gibt noch Rotwein auf dem Zimmer und alle schlafen glücklich ein.
21.09.2021, Tag 4, Zum Auto
Wir werden wach an Tag 4 und es wartet ein üppiges Frühstück auf uns. Aber wir halten es kurz und machen uns zügig auf den Weg. Wir wollen nicht zu spät daheim bei den Familien sein. Wir haben uns spontan für einen Kringel im Val Minor entschieden, bei dem wir einen kurzen Abstecher nach Italien machen. Wir parken das Auto bei der Diavloezza Bergbahn, an der wir auch gestern schon vorbeikamen und starteten in einer mystischen Morgenstimmung, bei der Wolken und Sonne sich abwechseln.
Wir sind ganz alleine und steigen gemütlich durchs Tal auf und können auch einen kurzen Blick erhaschen auf den Trail, auf dem wir eigentlich heute abfahren wollten, runter von Gregory. Egal. Das Talende ist bald erreicht und wir queren über eine ausgesetzte Passage die Bikes auf dem Rücken rüber nach Italien. Von hier aus beginnt die Abfahrt. Technisch, sonnig und hochalpin. Nice! Wir merken die letzten Tage im Körper, aber das ist heute schon auch nochmal ein Zuckerstück. Nach dem kurzen Abstecher vorbei am Rifugio Tridentina kehren wir zurück zum Auto. Die beste 600 Höhenmeter Tour ever. Heißt es. Kann man so stehen lassen. 4 Tage - die Schweiz hat wieder geliefert! Jetzt ab nach Hause und selbst die Heimreise mit dem Auto kann man dank der tollen Passstraßen genießen.